Branchentalk der Wohnkultur im Möbelhaus Klein

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Kaum eine Branche ist derzeit größeren Herausforderungen ausgesetzt wie der Einzelhandel. In den letzten Jahren fanden Entwicklungen (verstärkte Präsenz von Großfläche, Pandemie und digitaler Wandel) statt, welche die Rolle des klassischen und stationären Handels dramatisch verändern und die Daseinsberechtigung in Frage stellen.

MMag. Dr. Wolfgang Ziniel, Ludwig Krenn, Roman Eberharter, KR Ing. Hans Klein, Renate Krebs-Fuhrmann und Christian Strohmayer als Moderator

Auf Einladung von Gremialvorsteher des Elektro- und Möbelhandels Wiens Ing. KommR.Hans Klein diskutierten Renate Krebs-Fuhrmann, Hans Klein, MMag. Dr. Wolfgang Ziniel, Ludwig Krenn, Roman Eberharter und Christian Strohmayer als Moderator, über die drei wichtigsten Aspekte der Marktveränderung im Handel:

               Markt und Kunde

               Neue Geschäftsideen und Geschäftsmodelle

               Sowie die Zusammenarbeit und Kooperation von verschiedenen Betrieben

Gerade in den vergangenen zwei Jahren während der Coronapandemie hat die Digitalisierung durch behördliche Geschäftsschließungen und Ausgangsbeschränkungen speziell im Handel deutlich an Fahrt aufgenommen.

Mittlerweile wird ein beachtlicher Teil auch im Möbelbereich über Onlineverkäufe abgewickelt. Während weiterhin die Umsätze im Online-Handel rasant ansteigen, gerät der stationäre Handel schleichend und zunehmend unter Druck. Um dem Trend entgegenzuwirken, entstehen positive Signale, wie „Schöpfung von Mehrwert in neuen Märkten wie mit Besetzen von bisher verborgenen Marktnischen und/oder mit einer innovativen Geschäftsidee.

Über die allgemeine Stimmung im Einrichtungshandel sprach Hausherr KommR Hans Klein:  So steht nach wie vor der Mensch im Mittelpunkt und im Gegensatz zur Großfläche kann der Fachhandel mit raffinierten Ausstellungen mit dem potentiellen Käufer ins Gespräch kommen. Aus eigener Erfahrung erzählt er, dass die Beratung in der Großfläche sehr zu wünschen übrig läßt und selbst wenn der Kunde einen Katalog verlangt, in diesem blättert, wird er von einem Verkäufer nicht angesprochen und nach seinen Wünschen gefragt. Hier kann der Einrichtungsfachhandel punkten. Auch der derzeitig noch anhaltende Bauboom spielt den Einrichtungsfachhändler in die Hände. Der Fachkräftemangel ist nach wie vor aktuell. Und allgegenwärtig. Geeignete Mitarbeiter zu finden wird immer schwieriger und bei manchen Firmen kommt es schon zur Beeinträchtigung der Geschäftigkeit.

KommR. Ing. Hans Klein, Rudolf Vogt, Geschäftsführer der WKW

Zahlen von der KMU Forschung

Interessante Zahlen präsentierte MMag. Dr. Wolfgang Ziniel von der KMU Forschung über das Verhalten der konsumierenden Zielgruppen. Weiters zeigte er das derzeitige Kundenverhalten bei Einkäufen im Internet auf und wie es sich aus Sicht der Forschung in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Dazu einige Zahlen:

  • Online:

– Die Online-Ausgaben der Österreicher*innen im Bereich Möbel/Einrichtung/Deko lagen im letzten Jahr bei über € 800 Mio.
– Letztes Jahr zeigte sich eine deutliche Steigerung von fast 40% in Bezug auf das Jahr davor.
– 15% der Österreicher*innen kaufen Möbel/Einrichtung/Deko (auch) online
– Über 10% der gesamten Haushaltsausgaben der Österreicher*innen fließen in der Online-Handel
– Fast 60 % der Online-Shopping-Ausgaben der Österreicher*innen fließen an ausländische Anbieter

  • Stationär:

–  Die Anzahl der Geschäfte im EH mit Möbeln ist 2021 leicht gestiegen.
–  30% der Geschäfte im EH mit Möbeln sind Filialstandorte, diese verfügen über 80% der gesamten Verkaufsfläche.
–  Dass die Corona Pandemie den E-Commerce zusätzlich gepusht hat, überrascht bei diesen Zahlen nicht, wohl aber das Ausmaß. Diese Daten zeigen aber auch, dass online-shopping zwischen in der Mitte der Gesellschaft verankert ist.

Auswirkungen des Ukrainekrieges auf den Möbelhandel in Österreich

Die aktuelle Situation bzw. die Auswirkungen des Ukraineskrieges auf den Einrichtungsfachhandel wurde ebenfalls angesprochen:

Rohstoffversorgung

Bei der Lieferung von Holzplatten kommt es schon zu deutlichen Verzögerungen, da Unternehmen wie Egger oder Pfleiderer in der Ukraine, in Weißrussland und in Russland Werke betreiben.

Holz aus Russland nicht mehr PEFC zertifiziert

Das PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification), ein Programm zur Förderung der Forstzertifizierung, hat sämtliches Holz aus Russland und Weißrussland als „Konfliktholz“ deklariert. Das hat zur Folge, dass dieses nicht mehr in PEFC-zertifizierten Produkten verwendet werden kann. Grund für diese Maßnahme ist der Angriff der russischen Regierung auf die Ukraine.

Aluminium

Aluminium aus Russland ist derzeit nicht verfügbar. Durch die für chinesische Verhältnisse angespannte Covid Situation in Kombination mit den langen Seefrachtwegen (lange Lieferzeit, Engpässe bei Containern) ist China ebenfalls derzeit kaum keine Ersatzoption.

Die Industriebetriebe, die von Ukraine Material bezogen haben, sind derzeit nicht lieferfähig, belegt durch regelmäßige Anrufe von Kunden.

Preiserhöhungen

All die oben genannten Komponenten führen zu deutlichen Preiserhöhungen bei Rohstoffen. So sind in den vergangenen Wochen und Monate die Rohstoffe zur Möbelerzeugung um bis zu 45% teurer geworden. Mitte des Jahres kommt bei vielen Industriebetrieben eine Zwischenpreiserhöhung, teilweise sind noch weitere Preiserhöhungen sind für den Herbst geplant.

Prinzipiell ist die Auftragslage noch sehr gut, jedoch macht die Versorgung bei Rohstoffen und Halbfertigprodukten zunehmend Probleme. 

Fachkräftemangel

Derzeit hat der Krieg in der Ukraine auch Auswirkungen auf Europa. Speziell in der Distribution fehlen viele Fahrer aus der Ukraine, die aufgrund der Kampfhandlungen in ihre Heimat zurückgegangen sind. Durch die massiven Zerstörungen ist eine Besiedlung selbst bei einem baldigen Kriegsende nicht realistisch. Der Facharbeitermangel wird möglicherweise durch Männer, die nach dem Krieg ihren Familien nach Europa nachkommen entschärft werden.

Entwicklung

Österreich importierte 2021 um fast 40% mehr als in der Vorperiode.

Nachfolgende finden Sie bedeutende Importwaren für den österreichischen Möbelhandel, welche wahrscheinlich 2022 nicht oder nur in minimalem Ausmaß bezogen werden können (Werte beziehen sich auf das 1. Halbjahr 2021:

O „Holz und Waren daraus“ (v.a. Furniere): 38,4 Mio. EUR (+19% mehr als in der Vorjahresperiode)
O „Möbel aus Holz (20,5 Mio. EUR)
O Importe von „elektrischen Maschinen, Apparaten, elektrotechnischen Waren“ (+ 62% im Vergleich zur Vorjahresperiode) (Quelle KMU Forschung)

Ist die Digitalisierung überbewertet?

Wird dieses Thema medial überbewertet oder ist es doch ein bestimmendes Thema? Mit diesem Aspekt setzte sich Möbelhändler Ludwig Krenn auseinander und berichtete über seine Erfahrungen bei E-Commerce und zeigte neue Lösungswege auf, um konkurrenzfähig zu bleiben.  Obwohl die Digitalisierung oft gerade für kleine und mittelbeständische Betriebe eine Herausforderung ist, bietet sie doch längerfristig gesehen, viele Ansätze auch für kleine und mittelständische Betriebe. Durch oft begrenzte Investitionen stehen in diesem Bereich Änderungen nicht im Blickpunkt.

Obwohl die Digitalisierung viele Ansätze für Wachstum und Effizienz bietet und ein Trendthema bleibt – ist die  persönliche Betreuung des Kunden durch das rasche Agieren bei der Vereinbarung von Terminen, beim Zusenden von Angeboten – auch nach Betriebsschluss  – ein Serviceangebot, den die Großfläche nicht bieten kann. Nützlich dabei ist z.B. Google business – das leider von vielen Händler nicht oder kaum genutzt wird.

Zum Schluss zeigte er ein sehr interessantes Nischenthema auf:  So bietet er in seinem Haus speziell für Frauen ab dem 45. Lebensjahr spezielle Wohnangebote an. Oft stehen Damen ab diesem Lebensalter vor einer neuen sozialen Situation und sind bereit, ihre Wohnverhältnisse dementsprechend zu adaptieren.

Der Wert der Marke

Renate Krebs-Fuhrmann ist die Repräsentantin der exklusiven Polstermöbelmarke „Rolf Benz „ in Österreich führt diese auch sehr erfolgreich. Der Wert der etablierten Marke hat für viele ihrer Kunden einen hohen Wert und dementsprechend kann sie durch viele positive Empfehlungen Neukunden generieren.  Bei diesen anspruchsvollen Kunden ist es wichtig, dass sie fachlich gut informiert, rasch bedient werden.  Nachhaltigkeit ist auch hier so, wie bei allen Diskutanten ein sehr wichtiges Thema. Bei hochwertigen Polstergarnituren wollen sich die Käufer von der Haptik und der Sitzqualität überzeugen.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

FENA Präsident Roman Eberharter widmet sich diesem Thema. Gerade die Nachhaltigkeit ist derzeit eines der aktuellen Themen – ausgelöst auch durch die Energiekrise. Oft vom Konsumenten im Verkaufsgespräch angesprochen, gibt es leider nur Schätzungen über den tatsächlichen Kaufabschluß.

Nachhaltigkeit – viele Dinge lassen sich ohne großen Investitionen umsetzen und bringen kurzfristig Einspareffekte. Die Rede ist von Stromverbrauch, Heizung, Mobilität, Mülltrennung und Recycling. Zertifikate und Auszeichnungen von verschiedenenen Organisationen geben dem Verbraucher Sicherheit und dienen oft als Kundenmagnet.

Gute Laune beim Branchentalk

Themen wie: Wie sich der Erfolg beim digitalen Verkaufsgespräch steigern lässt und was sich im Beratungsgespräch aus der Körpersprache des Kunden erkennen lässt sind Themen, die in einem größeren Forum mit Fachleuten diskutiert werden sollten. Essenziell ist und bleibt aber gerade bei der Onlineberatung die professionelle Fragestellung. Auch hier ist die Grundbedingung, dass die Homepage bzw. der Konfigurator benutzerfreundlich und visuell ansprechend funktionieren muss.

Nach dieser interessanten Auftaktveranstaltung fand auf Einladung von KommR Hans Klein in bei einem Umtrunk noch eine rege Diskussion über die Veränderungen in der Einrichtungsbranche statt.

Einen Bericht über diesen Branchentalk finden Sie in der kommenden Ausgabe der Wohnkultur.

Quelle: Wohnkultur

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