Heimischer Einrichtungsfachhandel in der Pandemie: Produktivität unter Fachkräftemangel
Mag. Christian Wimmer, Geschäftsführer von SERVICE&MORE
Lockdown eins, Lockdown light, Lockdown zwei und Lockdown drei: Die letzten elf Monate fordern unglaubliche Flexibilität von uns allen und der Handel muss meist sehr rasch reagieren und innerhalb von ein paar Tagen für eine Wiedereröffnung aufgestellt sein.
Wie die aktuellen Konjunkturzahlen laut WIFO zeigen, ist die Wirtschaftsleistung hierzulande im vierten Quartal 2020 um 4,3 % gesunken. Was den Handel betrifft, so rechnen laut Handelsverband 84 % der heimischen Händler auch 2021 mit heftigen Umsatzeinbußen von durchschnittlich 40 % im Vergleich zu 2019. Auch an der Einrichtungsbranche insgesamt ist das Jahr nicht spurlos vorübergegangen: Laut aktuellen Zahlen der KMU Forschung Austria ist in Österreich der stationäre Einzelhandel mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen im Jahr 2020 nominell um 12,2 % gesunken.
Mag. Christian Wimmer, Geschäftsführer von SERVICE&MORE, der größten Einkaufs- und Dienstleistungsorganisation für KMUs im österreichischen Einrichtungsfachhandel: „Das Vorjahr war natürlich auch für unsere Branche unheimlich herausfordernd. Allerdings kam den Raumausstattern und Möbelhändlern zugute, dass viele Menschen sich der Aus- oder Neugestaltung der eigenen vier Wände widmeten. So das Geld vorhanden war oder vom Urlaub zur Einrichtung umgeschichtet wurde, spielte die „Heimzeit“ unseren Partnern durchaus in die Karten.“ Die 292 Mitglieder, die in den von SERVICE&MORE betreuten Verbänden GARANT Austria und WOHNUNION tätig sind, konnten mit einem gemeinsamen Verkaufsumsatz von 466 Mio. Euro im Pandemiejahr 2020 beinahe das Rekordergebnis von 2019 erreichen. Wimmer: „Anlass zum Jubeln ist das aber nicht, wenn man in die Zukunft blickt.“
Kein Jubel trotz ausgezeichnetem Ergebnis
Denn hier kämpft man noch mit ganz anderen Problemen. Wimmer stellt dazu folgende Rechnung an: Der gesamte Verkaufsumsatz der Fachhandelspartner von SERVICE&MORE betrug 2020 466 Mio. Euro. Geht man von 250 Arbeitstagen aus, so erzielten diese Unternehmen einen täglichen Umsatz von 2,2 Mio. Euro inklusive Umsatzsteuer. Allerdings blieben im Pandemiejahr die Türen im Handel an 60 Tagen geschlossen
. Die Arbeit vor Ort bei den Kundinnen und Kunden musste aber dennoch getan werden. Wimmer: „Für unsere Mitglieder bedeutet das eine Erhöhung der zu erbringenden Leistung um 22 % an den handelsoffenen Tagen! Das ist enorm, wenn man bedenkt, unter welchen Hygienebestimmungen und -auflagen das erfolgen musste und muss – vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass hier familiengeführte Klein- und Mittelbetriebe betroffen sind.“ Denn wenn auch online beraten werden kann und Planungen ohne Kundenkontakt durchgeführt werden, so fehlen die Öffnungszeiten dennoch im Verkauf, in der Montage und generell in der praktischen Umsetzung bei den Kundinnen und Kunden vor Ort im Haus oder in der Wohnung. Wimmer: „Uns werden heuer die Tage ausgehen!“
Bis vor einigen Wochen konnten die Möbelfachhändler und Raumausstatter noch gut montieren, doch die Lücke wird im April und Mai folgen. Nach der Wiedereröffnung würden diese allerdings in den ersten Wochen rund um die Uhr arbeiten müssen, um die Aufträge auch tatsächlich umsetzen zu können. Herstellerseitig haben derzeit jene die Nase vorn, die vor allem an den Fachhandel liefern.
Wann wird die Politik die Suche nach Fachkräften endlich unterstützen?
Um den erhöhten Arbeitsaufwand zu schaffen, würden die Unternehmen dringend Fachkräfte wie Tischlerinnen und Tischler, Elektrikerinnen und Elektriker sowie Monteurinnen und Monteure benötigen, aber diese sind derzeit kaum zu finden. Wimmer: „Wir sind ja nicht die einzigen, die unter Fachkräftemangel leiden. Es ist unverständlich, dass die Politik hier nicht und nicht tätig wird. Handwerk muss wieder golden werden! Im monetären Sinne betrifft das leistungsgerechte gute Bezahlung, aber vor allem müssen Ausbildung und die Anerkennung in der breiten Öffentlichkeit verbessert werden.“ Spätestens wenn die öffentliche Hand wieder mehr investiert, um die Konjunktur anzukurbeln, wird sich der Personalmangel noch massiver verschärfen.
Mehr Mut seitens der Regierung würde helfen
Aber Wimmer wünscht sich auch mehr Mut von der Politik: „Es geht um uns alle, also hat jeder Einzelne eine Verpflichtung. Allerdings funktioniert der Appell an die Eigenverantwortung nur für eine kurze Dauer. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch seitens der Regierung mehr Mut spürbar wird. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten sollte sie die Notwendigkeit von Tests und Impfungen wesentlich klarer kommunizieren und gegebenenfalls auch mit Konsequenzen verbinden. Wimmer: „Jede und jeder von uns trägt die Verantwortung, andere zu schützen. Wenn ich meinen Verpflichtungen nach Testen und Impfen nicht nachkomme, verliere ich auch die Rechte, andere Dinge zu beanspruchen. Das muss viel eindeutiger kommuniziert und auch umgesetzt werden!“ Mehr Eindeutigkeit wünscht er sich auch beim Lockdown. Denn das „Tür-auf-Tür-zu-Spiel wird nicht mehr lange funktionieren. Besser wäre es seiner Meinung nach, einen Lockdown so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich zu halten – und vor allem strikt durchzusetzen und europäisch koordiniert durchzuführen. „Denn „Nach dem Lockdown ist vor dem Lockdown“ wird auch der erfolgreichste Händler nicht noch unzählige weitere Male überstehen!“
Weitere Informationen finden Sie unter www.serviceandmore.at
Quelle: © SERVICE&MORE/Felix Büchele