Die Umsätze der deutschen Küchenmöbelindustrie liegen per Juli 2021 mit plus 14,7 Prozent klar über dem Niveau des Vergleichszeitraums von 2020 und auch zum Vor-Coronajahr 2019, sie stützen die Entwicklung der gesamten Möbelindustrie – so die Einschätzung von Stefan Waldenmaier, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK e.V.), Herford. Die Nachwirkungen der pandemiebedingten Krise seit Frühjahr 2020 dauern jedoch an, für eine Entwarnung sei es noch zu früh. Waldenmaier deshalb weiter: „Die Gesamtsituation bleibt angespannt – trotz guten Wachstumszahlen und hoher Nachfrage: durch Störungen bei Lieferketten, der Materialversorgung, bei logistischen Abläufen und – bei stagnierender Impfquote – möglicherweise der Arbeitskräfteverfügbarkeit.“
Trotz berechtigtem Optimismus sei deshalb bei allen Prognosen Vorsicht geboten, wie VdDK-Geschäftsführer Jan Kurth anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbands am 20. September betonte. Und er ergänzt: „Wir freuen uns selbstverständlich über die guten Umsatzzuwächse im ersten Halbjahr 2021, doch diese fußen auf niedrigen Basiswerten des Vorjahres. Im zweiten Halbjahr wird sich diese Entwicklung abschwächen, wenn die Effekte der Umsatzsteuersenkung ab Juli 2020 durchschlagen. Dennoch erwarten wir für die deutsche Küchenmöbelindustrie ein außerordentlich gutes Wirtschaftsjahr 2021.“
Küchenbranche braucht lebendige Fachmesse-Landschaft
Bester Gradmesser für die Zuversicht in den Märkten sind die wieder gut frequentierten Haus- und Gemeinschaftsausstellungen der Küchenbranche in Ostwestfalen-Lippe. Im jetzigen „Küchenherbst“ gegen Ende September zeigen rund 150 Hersteller der Küchenbranche auf etwa 50.000 Quadratmeter Gesamtfläche an insgesamt zwölf Standorten ihre Neuigkeiten. Nach teilweise erzwungener ‚Corona‘-Pause, dem Ausweichen auf virtuelle oder hybride Formate war es dringend nötig, wieder in die persönliche Vertriebskommunikation und den Austausch über Innovationen ‚face-to-face‘ auf Messen treten zu können.
Wirtschaftliche Position der Küchenmöbelindustrie erstklassig
Die deutsche Küchenmöbelindustrie mit ihren insgesamt gut 17.300 Beschäftigten in bundesweit rund 50 Betrieben über 50 Arbeitnehmern befindet sich in einer vergleichsweise guten wirtschaftlichen Position. Die Umsatzentwicklung zeigte sich im Jahresverlauf durchgehend positiv und schließt aktuell per 7-2021 mit 14,72 Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die untypisch hohen Zuwächse von April (42,2 %) bis Juni (18,6 %) – verursacht durch einen umsatzschwachen, Corona- und Lockdown-geprägten Vergleichszeitraum 2020 – beginnen sich zu normalisieren. Der Juli mit 5,15 Prozent Umsatzsteigerung ist dafür ein Beleg, bezogen auf einen sommerlichen Ferienmonat ein beachtlich positiver. Saldiert belaufen sich die Gesamtumsätze für Küchenmöbel per Juli auf über 3,29 Mrd. Euro.
Die Auftragseingänge weisen ebenfalls in eine positive Richtung und stehen stabil auf „grün“. Waren sie wertmäßig zu Jahresanfang wegen der langen Schließungszeiten des Handels im Vergleich zu 2020 noch negativ (-4,6 Prozent per 1. Quartal), so hellten sich diese mit 13,32 Prozent Zuwachs für Küchenmöbel per 2. Quartal bereits merklich auf. Die beiden Ferienmonate Juli und August tendieren traditionell schwächer und drücken mit -5,1 bzw. 7,5 Prozent Auftragseingang im Vergleich zum jeweiligen Vormonat das Saldo per August auf 9,9 Prozent.
Umsatzwachstum 2021 weiterhin vom Export getragen
Der Auslandumsatz per Juli trägt mit über 1,46 Mrd. Euro bereits zu 44 Prozent zu den Gesamtumsätzen bei. Damit nimmt das Geschäft jenseits der Grenzen nach den starken Marktverwerfungen 2020 wieder ordentlich Fahrt auf. Saldiert per Juli stehen beachtliche 26,7 Prozent Exportwachstum im Vergleich per 7-2020 in den Büchern. Und auch gegenüber dem Vor-Coronajahr 2019 legt das Auslandsgeschäft zu. Die Auftragseingänge aus dem Ausland unterstreichen die nachhaltig starke Position der deutschen Küchenmöbelindustrie: Nach kontinuierlichen wertmäßigen Zuwächsen seit Juni 2020 stiegen die Auftragseingänge aus dem Ausland per 1. Quartal 2021 um 9,1 Prozent, gefolgt von 25,75 Prozent per zweitem – um diese Rallye leicht abgeschwächt per Juli mit 21,2 Prozent (-0,9 % zu 7-2020) sowie per August (10 % zu 8-2020) um 19,9 Prozent fortzusetzen.
Das Inlandsgeschäft steuerte bis Ende Juli einen Umsatz in Höhe von 1,83 Mrd. Euro zum Gesamtergebnis bei und lag damit um 6,7 Prozent über den Vorjahreswerten. Nach einem recht guten, saldierten 1. Halbjahr mit 7,56 Prozent Wachstum legt der Juli mit einem Plus von 1,1 Prozent eine kleine Verschnaufpause ein.
Das die Gesamtumsätze tragende Wachstum der Inlands-Auftragseingänge 2020 startete per 1. Quartal 2021 mit einem Rückgang (-14,5 Prozent), der auch einem starken vorpandemischen AE im 1. Quartal 2020 geschuldet ist. Im April (+54,4 % zu 4-2020) jedoch vollzog sich eine Trendwende und per 2. Quartal schlossen die Auftragseingänge mit 4,31 Prozent Zuwachs. Die beiden Ferienmonate waren wie erwartet verhalten (-8 % zu 7-2020; 5,9 % zu 8-2020), die Auftragseingänge schlossen saldiert mit 2,2 per Juli bzw. mit 2,7 Prozent per August.
Auffällig ist seit längerem, dass die wertmäßigen Auftragseingänge im Inland – selbst in rückläufigen Phasen – meist über den AE nach Stückzahlen liegen. Dieser für die Branche bedeutende Sachverhalt spricht für steigende Durchschnittspreise und diese wiederum für die höhere Wertigkeit von Küchen und höheres Wertbewusstsein auf Verbraucherseite.
Zweistellige Umsatzzuwächse in den wichtigsten Märkten
Im Außenhandel mit Küchenmöbeln ist nach 2020 wieder ‚Normalität‘ eingekehrt. Das erste Halbjahr 2021 schloss mit Umsätzen in Höhe von 1,245 Mrd. Euro. Zum Vergleichszeitraum 2020 ist dies ein Plus in Höhe von 27,4 Prozent. Entscheidender allerdings der Vergleich zum Jahr 2019, das mit 1,07 Mrd. Euro im 1. Halbjahr abgeschlossen hatte. Wir sehen hier einen signifikanten Zuwachs von 16,4 Prozent zwischen von 2021 zu 2019! Die Küchenmöbelindustrie ist somit zu alter Stärke zurückgekehrt, vor allem bei den Ausfuhren.
Länderbezogen bleiben Gewichtung und damit Reihenfolge der wichtigsten Exportländer gleich: ‚Nummer 1‘ bleibt Frankreich (1. HJ 2021 zu 2020: +46,8 %), gefolgt von den Niederlanden (+19,2 %), Österreich (+31,8 %), Belgien (+30,8 %), der Schweiz (+13,8 %), dem Vereinigten Königreich (+46,6 %), China (+9,1 %) und Spanien (+43,2 %). Erfreulich und auffällig ist, dass Italien – nach Ausfuhrrückgängen bereits seit 2019, also vor Corona – wieder Platz 9 in der Ausfuhrstatistik mit einem Wachstum von 41,8 Prozent vor den USA zurückerobern konnte. Unter einem ähnlich glücklichen Stern stehen offenbar auch die Exporte nach UK, denen der Brexit mit all seinen Herausforderungen bisher nichts anhaben konnte.
Importe im Plus – Polen dominiert Einfuhren immer stärker
Das Außenhandelssaldo Küche, als einziges der Möbelbranche mit Überschuss, hat sich weiter vergrößert. Nach dem pandemiebedingten ‚Dämpfer‘ im 1. Halbjahr von 2019 zu 2020 in Höhe von -9,2 Prozent stieg es jetzt von 2020 zu 2021 um 25,7 Prozent auf über 1,175 Mrd. Euro. Eine Ursache sind die im Vergleich zu den Exporten weiterhin geringen Küchenimporte nach Deutschland. Trotz der überdeutlichen Erholung im 1. Halbjahr 2021 zu 2020 in Höhe von 64,2 Prozent haben sie aktuell ein eher bescheidenes Volumen von 69,6 Mio. Euro – also nur rund ein Zwanzigstel der Exporte. Auch das starke Wachstum der Importe in Höhe von 45,7 % im Vergleich 2021 zum Vor-Coronajahr 2019 ändert vom Grundsatz daran nichts.
Nach Staaten betrachtet gibt es Auffälligkeiten: So hat Polen auf Platz 1 der Importstatistik seine Dominanz ausgebaut und kommt nach 9,6 Mio. Euro Einfuhren nach Deutschland im 1. Halbjahr 2020 nun auf 16,5 Mio. Euro (plus 72,1 Prozent). Besonders interessant ist, dass selbst in der Corona-Krise Polen als eines der ganz wenigen Küchenexportländer nach Deutschland wertmäßig weiter zulegte (+16,1 % 1. HJ 2020 zu 2019). Unabhängig von unserem Nachbarland springen zudem außergewöhnliche Einfuhrsteigerungen einzelner Staaten, darunter China (+126,4 %; Platz 4), Estland (+132,1 %; Platz 9) sowie Tschechien mit unglaublichen 500 Prozent Importwachstum ins Auge.
Holz, Metall, Verpackung, Papier – kaum verfügbar oder immer teurer
Die geschilderte Positiventwicklung im ersten Halbjahr 2021 ist besonders hoch zu werten, da sie vor dem Hintergrund großer extern verursachter Herausforderungen geschieht: Die fragilen Netzwerke globaler Lieferketten sind gestört und viele Materialien sind kaum oder nur deutlich verteuert verfügbar. So gibt rund die Hälfte unserer Mitgliedsunternehmen an, dass sich die Materialverfügbarkeit weiter verschärft. Die jüngste Ifo-Konjunkturumfrage von August berichtet sogar über einen Anteil 86,2 Prozent der von Vorproduktknappheit betroffenen Möbelhersteller.
Die Negativliste führen beschichtete Spanplatten an, wie vier Fünftel der unserer Mitgliedsbetriebe bemängeln. Dicht darauf folgen fehlende unbeschichtete Spanplatten, HDF und MDF. Metallteile haben sich ebenfalls deutlich verknappt, wie zwei Drittel der Unternehmen bestätigen. Inzwischen reichen die Herausforderungen aber auch bis zu Verpackungsmitteln und in die Logistik hinein. Neben absoluter Nichtverfügbarkeit wird die Branche durch Preissteigerungen extrem belastet. Hierbei spielen neben Holz und Holzwerkstoffen auch Papier, Lacke, Leime oder Zusatzstoffe eine wesentliche Rolle. Ein Ende dieser angespannten Situation ist derzeit nicht absehbar. Bei begrenzten Kapazitäten bleibt die Nachfrage hoch und weitere Belastungen – wie aus dem Energiesektor – kommen hinzu.
Nachfrageseite beflügelt von langfristigen Trends
Doch bei Schatten gibt es Licht – und dieses kommt von der Nachfrageseite. Kochen steht bei den Verbrauchern hoch im Kurs. Die Auswirkungen der Corona-Krise haben diesen Trend noch verstärkt: Zu Lasten von Restaurants bewirkt häufige häusliche Präsenz, Selbstgekochtes zu genießen oder mit Freunden Koch-Events zu erleben – am liebsten in miteinander verschmolzenen Einrichtungssphären von Arbeiten über Kochen bis Wohnen.
Dazu werden moderne Einbauküchen und faszinierende Elektrogeräte benötigt, was die Renovierungs- und Anschaffungsneigung beflügelt. Der Boom bei Lieferdiensten steht dieser erfreulichen Entwicklung kaum im Weg. Auch die Themen Regionalität, CO2-Fußabdruck und Nachhaltigkeit spielen uns als Branche in die Hände.
Die GfK sieht deshalb keinen Trend zu einer gestörten Konjunktur oder Anschaffungsneigung bei Küchen in Deutschland, auch wenn sie zuletzt in ihrer Analyse im August „Konjunktureuphorie vorerst gestoppt?“ titelt. Eher ist es so, dass Inflationsängste die Stimmung drücken und mit zurückkehrender Normalität wieder alternative Ausgaben – wie für Reisen – in den Fokus rücken. Vergessen werden darf jedoch nicht, dass wir erst im Juni den 10-Jahres-Peak bei der konjunkturellen Stimmungslage erreicht hatten!
Küchen wie Möbel ‚Made in Germany‘ stehen für Spitzenqualität
Küchen aus deutscher Produktion haben weltweit, aber gerade auf dem Heimatmarkt einen erstklassigen Ruf. Und die Bereitschaft der Kunden ist ungebrochen, für gute Dinge gutes Geld auszugeben. Das beweist auch eine neue Studie zu den Pro-Kopf-Ausgaben 2020 für Küchen vom Juli dieses Jahres. Mit 401 Euro/Haushalt fließt mehr als die Hälfte (53 %) aller Möbel-Ausgaben (760 Euro/Haushalt) in die Küche inklusive aller dort vertretenen Warengruppen. Und dieser Anteil steigt kontinuierlich: 2018 kamen 360 Euro von 717 Euro/Haushalt den Küchen zugute (50 %), 2019 waren es schon 373 von 725 Euro/Haushalt (51,5 %). Überdurchschnittliche Pro-Kopf-Ausgaben kommen insbesondere aus Haushalten >1 Person und Einkommen >3.600 Euro/Monat.
So ist und bleibt ‚Top-Qualität‘ die zentrale Produktaussage deutscher Küchen – und im Fokus aller Kunden. Die hohen Qualitätsstandards der deutschen Küchenmöbelindustrie werden insbesondere mit dem RAL-Herkunftslabel „Möbel Made in Germany“ und seinen strengen Prüfkriterien betont. Dieses Herkunftsgewährzeichen bietet Verbrauchern Orientierungshilfe und eröffnet den Herstellern zusätzliche Wachstumspotenziale. Seit dem Start vor gut einem Jahr haben sich mittlerweile 60 Möbelhersteller, darunter 16 Küchenmöbler, für das Siegel zertifiziert.
Meist hell und seidenmatt, natürlich und wertig sollen Küchen sein
Bei Küchenschränken äußert sich das gestiegene Wertbewusstsein der Verbraucher in Materialwahl und Gestaltung, also dem Design. Waren noch vor Jahren vor allem Folien- und Melaminharzfronten gefragt, ist für zwei Drittel unserer Mitgliedsunternehmen Lack und Lacklaminat die heute dominierende Frontausführung. Hochglanz wird, zumindest im mittleren bis gehobenen Preisniveau, inzwischen weniger nachgefragt – für über 90 Prozent unserer Unternehmen sind matte Oberflächen en vogue – zunehmend mit der Spezifikation ‚Antifingerprint‘.
In farblicher Hinsicht dominieren Weiß und Beige, aber auch Grau, Anthrazit und Schwarz haben inzwischen größere Fan-Kreise. Natürliche Materialien, gute Stauraumlösungen und besonders die „Verschmelzung von Wohnen und Kochen“ dominieren die Kundennachfrage. Smart Home-Lösungen bzw. vernetzte Küchen sind nur für jeden zehnten von uns befragten Hersteller ein wichtiges Thema.
Die Erfolgsstories der deutschen Küchenmöbelhersteller sind noch lange nicht zu Ende
Einen Ausblick zu geben, so sind sich VdDK-Vorsitzender Stefan Waldenmaier und VdDK-Geschäftsführer Jan Kurth einig, fällt derzeit nicht leicht – zu groß sind unbeeinflussbare, teils globale Prozesse. „In der jüngsten Befragung unserer Mitglieder hat die Mehrheit der Befragten angegeben, dass sie für das gesamte Jahr 2021 mit zum Teil deutlichen Umsatzsteigerungen rechnen. Unsere Umsatzprognose für das Gesamtjahr 2021 liegt somit bei bis zu 10 Prozent“, so Kurth. „Wir freuen uns, dass dieses Wachstum über alle Betriebsgrößen feststellbar ist. Demnach steht die Branche nach der Corona-Krise auf einem solideren Fundament als zuvor“!
Stefan Waldenmaier versucht dennoch eine weiterreichende Vorausschau: „Auch auf längere Sicht steht einem Fortschreiben der Erfolgsgeschichte ‚Küche‘ nichts im Weg: Im Inland wollen sich die jetzt massiv in den Ruhestand eintretenden Babyboomer nochmals gut einrichten, die akkumulierten Vermögen haben Höchststände, eine kluge Nachhaltigkeits- und Einwanderungspolitik sollte für zusätzliche Nachfrage sorgen.“
Weitere Informationen finden Sie unter www.vhk-herford.de
Quelle: VHK Herford